Kondensatoren und Hochspannung: Achtung!

In elektronischen Schaltungen treten Kondensatoren als vermeintlich statische Bauteile mit festem Kapazitätswert auf – sei es Keramik, Folie oder Elektrolyt. Doch unter realen Betriebsbedingungen, insbesondere bei hohen Gleich‑ oder Rechteckspannungen, weichen ihre Eigenschaften oft von den Datenblättern ab: Temperaturänderungen, Fertigungstoleranzen, Alterungsprozesse und die angelegte Spannung können den effektiven Kapazitätswert verändern. Ab etwa 3 kVrms verringert sich die Auswahl verfügbarer Kondensatoren deutlich, sodass häufig mehrere Kondensatoren zusammengeschaltet werden müssen – ein Vorgehen, das die Kapazitätsabweichungen verstärkt. All das hat unmittelbare Auswirkungen auf Lade‑ und Entladezeiten, Schaltgeschwindigkeiten und damit auf das vorhersehbare Verhalten einer Schaltung. Wer präzise Timing‑Vorgaben erfüllen muss, sollte deshalb nicht nur auf Bemessungswerte achten, sondern stets die möglichen Schwankungen der Kapazität berücksichtigen. 

Beispiele aus der Praxis:

Sinus-Spannungen 

Die exakte Kapazität entscheidet in einer Resonanzanlage über Frequenzstabilität und Güte: Bereits ± 5 % Kapazitätsabweichung können die Resonanz um hunderte Hertz verschieben und die erzeugte Amplitude z. B. von 5.000 V auf nur noch rund 3.000 V (– 40 %) reduzieren. 

Rechteck-Spannungen 

In schnellen Schaltungen mit steilen Flankenverläufen kommen häufig Snubber-Glieder zum Einsatz – Schaltungen aus Widerständen und Kondensatoren, die zur Begrenzung von Spannungsspitzen und zur Dämpfung von Schaltüberschwingungen dienen. Bereits geringe Abweichungen in den Bauteilwerten, etwa eine Änderung der Kapazität um 10 %, können die Dynamik des Gesamtsystems spürbar beeinflussen. In mehrstufigen Halbleiterschaltungen führen solche Unterschiede zu asymmetrischen Spannungsverteilungen, was im ungünstigsten Fall Bauteil- oder Systemausfälle zur Folge haben kann. 

Woher kommen diese Abweichungen und wie hoch sind diese? 

Technische Bauteile weichen in der Praxis stets von ihren idealisierten Bemessungswerten ab. So können beispielsweise Widerstände parasitäre Induktivitäten aufweisen und auch Induktivitäten unterliegen herstellungsbedingten Toleranzen. Besonders vielfältig sind jedoch die Abweichungen bei Kondensatoren. Hier beeinflussen mehrere Faktoren wie die angelegte Spannung, die Schaltfrequenz und die Umgebungstemperatur die effektive Kapazität im Betrieb. Dieses Zusammenspiel führt dazu, dass die tatsächlich zur Verfügung stehende Kapazität erheblich von den Nennwerten abweichen kann. Die folgenden drei Parameter stellen die größten Einflussfaktoren dar: 

  1. Spannungs-Derating 
    Unter hoher AC- oder DC-Spannung können vor allem Keramikkondensatoren bis zu 70 % ihrer Nennkapazität verlieren. Verursacht wird dieser Effekt durch Polarisierungseffekte im Dielektrikum, die direkt von der angelegten Feldstärke abhängig sind. 
  1. Frequenz-Derating 

Mit steigender Frequenz können Kapazitätseinbußen von mehr als 20 % auftreten. Kondensatoren mit polaren Isolierstoffen als Dielektrikum erreichen ihre Ladung erst nach einer bestimmten Zeitdauer, der sog. Relaxationszeit (abhängig vom Isolierstoff). Bei hohen Frequenzen können die Dipole nicht mehr dem wechselnden Feld folgen, die Permittivität sinkt und die Kapazität ändert sich. 

  1. Temperatur-Derating 

Im zulässigen Temperatur-Betriebsbereich ändert sich die komplexe Permittivität des Materials, wodurch eine Kapazitätsänderung von 20 % auftreten kann. 

Am Beispiel des Spannungs-Deratings eines HV-Keramikkondensators eines hier nicht genannten Herstellers wird das deutlich: 

Abbildung 1: Spannungs-Derating eines HV-Keramikkondensators 

Die richtige Auswahl eines Kondensators für hohe Impulsspannungen: 

In Applikationen mit hohen, schnellen Impulsspannungen entscheidet die Wahl des Kondensators maßgeblich über die Zuverlässigkeit und Schaltperformance. Abbildung 2 stellt einen Überblick verschiedener Kondensatorarten unter Berücksichtigung einiger Parameter dar. 

Abbildung 2: Überblick Kondensatorarten, -parameter 

Die Auswahl des Kondensators für Hochspannungs-, Impuls- und Resonanzanwendungen erfordert Maßarbeit: Spannungshub, Frequenz, Temperatur und Lebensdauer bestimmen die optimale Kombination aus Dielektrikum, Nennwert und Derating. Während Klasse-2-Keramiken unter DC-Bias und Temperaturschwankungen einbrechen können, bieten Folien hohe Spannungsfestigkeit bei größerem Bauraum und Alterung. Nur mit klar definierten Betriebsparametern lässt sich die Funktionalität des Kondensators langfristig sichern.